Foto von den Gründern von GiveWell Elie Hassenfeld und Holden Karnofsky.

GiveWell:
Bedingungslose Transparenz

Foto von den Gründern von GiveWell Elie Hassenfeld und Holden Karnofsky.

GiveWell:
Bedingungs­lose Transparenz

Die Auswahl der von effektiv-spenden.org empfohlenen Top-Organisationen basiert maßgeblich auf den Evaluationen von GiveWell. Doch wer genau ist diese Organisation und warum bringen wir ihr so viel Vertrauen entgegen?

Ich selber wurde auf die 2007 von Elie Hassenfeld und Holden Karnofsky gegründete Organisation erstmalig im Dezember desselben Jahres durch diesen Artikel der New York Times aufmerksam. Mit der eigentlichen Arbeit begannen die beiden damals 26- Jährigen allerdings schon im Jahr zuvor, als sie noch bei der Investmentfirma Bridgewater Associates beschäftigt waren. Mit sechs weiteren Kollegen gründeten sie dort einen „Charity Club”, dessen Ziel es war herauszufinden, wo man mit seiner Spende möglichst viel bewirken, also möglichst vielen Menschen helfen kann. Schnell merkten sie, dass es alles andere als einfach war, diese Frage zu beantworten. Die meisten Hilfsorganisationen stellten ihnen auch auf Nachfrage nur oberflächliche Marketingmaterialien zur Verfügung. In der Non-Profit-Welt wusste man oftmals nicht mit der investigativen Befragung durch die Hedgefonds-Manager umzugehen, für die es zum Alltag gehörte, Firmen vor einem möglichen Investment auf den Zahn zu fühlen. Die Organisation Smile Train verdächtigte sie anfänglich sogar, für die Konkurrenz zu spionieren.

Auch andere zur Verfügung stehenden Informationsquellen für Spenderinnen waren keine Hilfe. Institutionen wie Charity Navigator stellen damals wie heute nur wenige leicht zu messende Finanzdaten der untersuchten Hilfsorganisationen zur Verfügung und bewerten diese anhand de facto aussageloser Kennzahl wie der Höhe der Verwaltungskosten. Dazu kommt, dass mehr als tausend Initiativen die höchstmögliche Auszeichnung erhalten hat, der Spender also keine klare Orientierung erhält. Wie bei den in Deutschland vergebenen Spendensiegeln geht es auch bei Charity Navigator mehr darum, ein Urteil darüber zu fällen, ob bestimmte Mindeststandards eingehalten werden, als die Frage zu beantworten, wo man mit seiner Spende am meisten bewirken kann.

Der Versuch, Stiftungen dazu zu bewegen, ihre Einschätzung zu von ihnen geförderten oder bewusst nicht geförderten Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, führte ebenfalls nicht zum Erfolg. Diese wollten ihre Informationen nicht teilen, schon gar nicht öffentlich.

Während sich bei einigen Mitgliedern des „Charity Club” zusehends Frust über die zähen Fortschritte breit machte, wuchs die Begeisterung von Elie und Holden sogar noch. Die beiden, die ursprünglich Religions- bzw. Sozialwissenschaften studiert hatten, sahen nicht nur das enorme Potenzial dieser Arbeit, sondern fanden sie auch erfüllender als ihre bisherige Tätigkeit in der Finanzindustrie. Aus diesem Grund kündigten sie ihre bisherigen Jobs und konzentrierten sich fortan ganz auf GiveWell, so der Name der aus dem „Charity Club” hervorgegangenen Organisation. Geprägt von der Erfahrung mangelnder Transparenz im gemeinnützigen Sektor entschloss man sich, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, und verpflichtete sich von Anfang an zu radikaler Offenheit. 

Dazu gehören, neben der Veröffentlichung von Finanzberichten und Gehältern des Führungspersonals, auch die Agenden sowie Audioaufnahmen der Aufsichtsratssitzungen. Insbesondere letzteres ist beeindruckend, denn man schreckt auch nicht davor zurück, wirklich kritische Diskussionen für jedermann zugänglich ins Netz zu stellen. Bestes Beispiel dafür ist vermutlich dieser Mitschnitt aus dem Jahr 2008, in dem einer der Gründer zeitweise seines Vorstandsamtes enthoben wird, nachdem er sich in Blogkommentaren und Onlineforen über GiveWell und andere Charities geäußert hat, ohne deutlich zu machen, für wen er tätig ist. Dies ist aber keinesfalls der einzige Fehler, zu dem sich GiveWell öffentlich bekannt hat, im Gegenteil: Schon seit 2008 ist ein Teil der Hauptnavigation der Webseite den Fehlern gewidmet, die man bisher gemacht hat, und allem, was getan wurde, um diese in Zukunft zu vermeiden. Eine Maßnahme, die das Vertrauen stärkt, dass auch mit künftigen Fehlern offen umgegangen wird und diese schnell und konsequent behoben werden.

Der aus Sicht von effektiv-spenden.org wichtigste Punkt aber ist, dass GiveWell nicht nur die Ergebnisse seiner Evaluationen in geradezu epischer Länge veröffentlicht – mehr als hundert Fußnoten sind die Regel, nicht die Ausnahme – sondern, dass sie auch über die Herleitung ausführlich Rechenschaft ablegen. Aller Respekt vor der Arbeit von GiveWell ändert nichts an dem Fakt, dass die Evaluation von gemeinnützigen Einrichtungen keine exakte Naturwissenschaft ist, sondern zwangsläufig auch von persönlichem Ermessen und Werturteilen abhängt, insbesondere wenn man Hilfsorganisationen miteinander vergleicht. Ein Beispiel für GiveWells Transparenz auch in diesem Bereich sind die hunderten Gesprächsprotokolle mit externen Wissenschaftlern, NGO-Vertretern oder Mitarbeitern von Behörden, die hier eingesehen werden können. So ist nicht nur nachvollziehbar, mit wem gesprochen wurde, sondern auch worüber. Noch beeindruckender aber mögen die online abrufbaren Berechnungen zur Kosteneffektivität sein. Es ist nicht nur möglich diese einzusehen, sondern auch editierbare Kopien zu erstellen. Diese ermöglichen es einem, die von den GiveWell-Mitarbeiterinnen gefällten Werturteile nicht nur im Detail nachzuvollziehen, sondern auch sie durch eigene zu ersetzen und somit potentiell zu einer anderen Einschätzung der empfohlenen Organisationen zu kommen.

Seit Gründung ist GiveWell stark gewachsen und beschäftigt inzwischen über 50 Mitarbeitende, die gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass allein 2021 über 500 Millionen Dollar an die empfohlenen Charities gespendet wurden. Für die Zukunft hat man sich vorgenommen, die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter signifikant zu erhöhen, um zusätzliche Antworten auf die Frage zu finden, welche die Organisation seit ihrer Gründung begleitet, nämlich  wo man mit seiner Spende möglichst viel bewirken, also möglichst vielen Menschen möglichst gut helfen kann.

Über effektiv-spenden.org kann man an die Top-Empfehlungen von GiveWell spenden und erhält dafür eine vom deutschen Finanzamt anerkannte Spendenquittung.

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