
Spenden für die Ukraine!?
In den letzten Tagen haben wir zahlreiche Anrufe und E-Mails mit der Frage erhalten, wie man am sinnvollsten für die Menschen in der Ukraine spenden kann.
Leider gibt es hierfür aus unserer Sicht keine einfache Antwort. Auf effektiv-spenden.org konzentrieren wir uns ganz darauf, nur solche Organisationen zu empfehlen, die auf wissenschaftlicher Basis evaluiert und deren herausragende Kosteneffektivität unabhängig bestätigt wurde – auch im Vergleich mit anderen Hilfswerken. Für akute Katastrophen wie den aktuellen Krieg in der Ukraine liegen uns aber natürlich nicht genug Daten und Studien vor, um eine entsprechende Empfehlung auszusprechen. In der Tat gibt es sogar deutliche Hinweise darauf, dass Spenden für weltweit beachtete Katastrophen mit enormer Medienaufmerksamkeit weniger bewirken als Spenden für Menschen, die weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit leiden.
Auch den Versuch, mit Sachspenden Hilfe zu leisten, halten wir für herausfordernd. Wenn es darum geht, vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtete Menschen in Polen, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien zu helfen, ist es oft sinnvoller, diese einfach direkt mit Geld zu unterstützen. Das legen zumindest Erfahrungen aus der Katastrophenhilfe oder im Umgang mit anderen Flüchtlingskrisen nahe.
Zum einen ist es für Außenstehende fast immer unmöglich, genau die Kombination von Material und Hilfsgütern zusammenzustellen, die vor Ort zum Zeitpunkt der Anlieferung tatsächlich besonders dringend gebraucht wird. Zum anderen ist es oftmals teurer, Alltagsausstattung aus Deutschland herbeizuschaffen anstatt diese regional zu erwerben – erst recht, wenn man die Transportkosten mit einbezieht. Noch anspruchsvoller wird es, wenn es um Sachspenden für die Menschen in der Ukraine selbst geht. Natürlich gibt es jede Menge, das dort wirklich dringend gebraucht wird; und täglich wächst der Bedarf. Aber gleichzeitig wachsen auch jeden Tag die logistischen Schwierigkeiten. In dieser Situation ist es deshalb besonders wichtig, die wenigen noch vorhandenen Transportkapazitäten bestmöglich zu nutzen. Daher empfehlen wir: Wenn es um Sachspenden geht, sollte man unbedingt mit professionellen und erfahrenen Hilfsorganisationen mit exzellenten Ortskenntnissen zusammenarbeiten, die im Idealfall schon vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine tätig waren. Wenn solche Organisationen keine Sachspenden (mehr) annehmen, sollte man diese Entscheidung respektieren – und über eine aus unserer Sicht in den meisten Fällen ohnehin bessere Alternative nachdenken: lieber verkauft man die Dinge, die man abgeben kann – und spendet dann die Erlöse.

Spätestens dann stellt sich aber erneut die Ausgangsfrage: an wen? Auch wenn wir darauf hinweisen wollen, dass sich nach wie vor an anderen Orten der Welt mit jedem gespendeten Euro vermutlich mehr bewirken lässt (und sich „antizyklisches Spenden“ sozusagen besonders auszahlen könnte): Wir verstehen natürlich den Impuls, JETZT den Menschen in der Ukraine helfen und auch ein persönliches Zeichen setzen zu wollen. Wir können zwar keine genaue Wirkung berechnen: Aber unter den mehr als 100.000 Menschen, die am vergangenen Wochenende in Berlin gegen den Krieg demonstriert haben, waren auch mehrere Mitglieder aus dem Effektiv Spenden-Team. Und wenn es aus ähnlichen Motiven – auch ohne Nachweis maximaler Wirksamkeit – in dieser bedrückenden Lage eine Geldspende für humanitäre Hilfe sein soll, würden wir vermutlich am ehesten an Organisationen mit langjähriger Erfahrung in Kriegs- und Krisengebieten spenden. Beispielsweise an das Rote Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen. In beiden Fällen würden wir jedoch dringend dazu raten, die Spende keinesfalls mit einer Zweckbindung zu versehen. Nur dann haben die Organisationen die Chance, das Geld auch außerhalb der Ukraine einzusetzen – wenn sie keine Möglichkeit mehr sehen, damit in diesem Kriegsgebiet etwas Sinnvolles zu bewirken.
Wer bereit ist, auf eine Spendenquittung zu verzichten und einer auch aus unserer Sicht spekulativen und mit großer Unsicherheit verbundenen Spendenempfehlung zu folgen, der sei diese Anregung eines russischen Mitglieds der Community des Effektiven Altruismus empfohlen. Ziel ist es, durch Aufklärung der Bevölkerung Russlands den Druck auf das Putin-Regime zu erhöhen, den Krieg baldmöglichst zu beenden, indem man hier für die unabhängige russischsprachige Internetzeitung Meduza spendet oder sich hier für das Menschenrechtsmedienprojekt OVD-Info engagiert.
Noch sinnvoller wäre es aber aus unserer Sicht, gemäß des Sprichwortes „Vorbeugen ist besser als heilen” vorzugehen. Es scheint nicht unplausibel, dass es kosteneffektiver ist, in die Prävention von Kriegen zu investieren als deren Folgen zu lindern. Welche Ansätze dafür erfolgversprechend sein könnten, hat kürzlich unsere Partnerorganisation Founders Pledge untersucht – und in ihrem Report Great Power Conflict unter anderem empfohlen, an das Stockholm International Peace Research Institute zu spenden.
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