Die besten Lösungen sind um ein Vielfaches wirksamer als andere

Ein Berater wird von den Hauptförderern einer Non-Profit Organisation im deutschen sozialen Sektor beauftragt, die Arbeit der Organisation zu bewerten. Schnell zeigt sich: die Arbeit ist grundsätzlich sinnvoll, allerdings sehr teuer. Die Wirkung der Arbeit wird vor allem anhand der Evaluation einer zweiten Organisation deutlich, die einen sehr ähnlichen Ansatz verfolgt. Diese zweite Organisation erreicht auch ähnlich viele Menschen – und dies mit nur einem Zehntel der Kosten. 

Die Förderer treffen daraufhin die schwere Entscheidung, die geförderte Organisation zu schließen. Um die vormals erzielte Wirkung beizubehalten und weiterhin genauso viele Menschen wie bisher zu erreichen, fördern sie stattdessen die zweite Organisation mit den dafür erforderlichen 10% der ursprünglich aufgewendeten Mittel. Mit den nun frei­gewordenen 90% der Mittel unterstützen sie weitere sinnvolle Projekte. Im Ergebnis haben Sie bei gleichem Budget die Wirkung ihrer Spenden vervielfacht.

Dieses Beispiel ist nicht ausgedacht, sondern beschreibt wie Stefan, einer unserer Gründer, sich bereits vor mehr als zehn Jahren als Berater mit der Frage konfrontiert sah, wie man mit Spenden möglichst viel erreichen kann.  Seine Erfahrung ist kein Einzelfall: Studien zeigen, dass die besten Organisationen und Maßnahmen deutlich kosteneffektiver sind als der Durchschnitt – oft um ein Vielfaches. 

Wenn wir also an jene Hilfsorganisationen spenden, die nachweislich hochwirksame Lösungen erfolgreich umsetzen, können wir die Wirkung unserer Spende um das zehn- bis hundertfache steigern und damit unser Spendenbudget “multiplizieren”.

Wie sehr unterscheiden sich die Lösungen in ihrer Wirksamkeit?

Bereits 2013 hat Toby Ord in seinem Artikel ”The Moral Imperative towards Cost-Effectiveness in Global Health” auf die großen Unterschiede im Bereich der globalen Gesundheit hingewiesen. Ord untersuchte Maßnahmen aus dem öffentlich zugänglichen Datensatz “Disease Control Priorities in Developing Countries (second edition – DCP2)” der Weltbank auf ihre Kosteneffizienz. In DCP2 wurden 108 Maßnahmen in einkommens­schwachen Ländern miteinander verglichen, von chirurgischen Eingriffen über Impfstoffe und Moskitonetze bis hin zu öffentlichen Gesundheitsprogrammen wie der kostenlosen Verteilung von Kondomen zur AIDS-Prävention. Ord untersuchte, wie viele gesunde Lebensjahre (disability-adjusted life-years, DALY) pro investierten $1.000 gewonnen wurden. 

Seine Analysen zeigen, dass die kosteneffizienteste Maßnahme etwa 15.000 (!) Mal kosteneffizienter war als die am wenigsten kosteneffiziente. Die besten 2,5% der Maßnahmen waren etwa 50 Mal kosteneffizienter als der Median und 23 Mal kosteneffizienter als der Mittelwert. Pro investierte $1.000 konnten sie somit zu 50-mal mehr gesunden Lebensjahren (disability-adjusted life-years, DALY) beitragen als der Median (bzw. 23-mal mehr als der Durchschnitt). (Die Unterschiede sind so enorm, dass es sich lohnt, den obigen Absatz zweimal zu lesen, um sie sich zu vergegenwärtigen)

Die wirksamsten Interventionen generierten also einen überproportionalen Anteil des Gesamtnutzens. Würden alle Maßnahmen der DCP2-Studie zu gleichen Teilen finanziert, würden 80% des Nutzens durch die 20% kosteneffizientesten Maßnahmen erzielt. Wählt man eine durchschnittliche Maßnahme aus DCP2 anstatt einer der kosteneffizientesten, dann gehen mehr als 90% des potenziellen Nutzens verloren, den die kosteneffizientesten Maßnahmen mit denselben Mitteln hätte erzielen könnten. 

Kürzlich hat Benjamin Todd von der Organisation 80,000 hours untersucht, ob sich dieser Effekt auch in anderen Datensätzen wiederfindet. Dazu hat er sich ein breites Spektrum von Maßnahmen und Themenfeldern angeschaut, darunter die neuere DCP3-Studie, WHO-CHOICE-Daten, Gesundheitsmaßnahmen in Großbritannien und Sozialpolitik in den USA, aber auch eine renommierte Studie zur Kosteneffektivität von Klimaschutzmaßnahmen und Daten aus dem Bildungsbereich. Auch hier die gleichen, gewaltigen Unterschiede: Die besten 2,5% der Maßnahmen waren in allen Datensätzen etwa 20 bis 200 Mal kosteneffizienter als der Median und etwa 8 bis 20 Mal kosteneffizienter als der Durchschnitt.

Todd kommt bei konservativer Betrachtung zum Schluss, dass die Unterschiede tatsächlich geringer sein könnten, als seine Ergebnisse vermuten lassen. Zum Beispiel könnte es sein, dass die besten Interventionen bereits keinen Finanzierungsbedarf mehr haben und daher die besten verfügbaren Interventionen etwas weniger wirksam sind als die untersuchten. Außerdem sind die Daten in der Regel rückblickend und für die Zukunft möglicherweise zu optimistisch. Schließlich beruhen alle Analysen auf Annahmen, die die Realität zwangsläufig nicht perfekt abbilden können. Dies führt häufig dazu, dass gute Ergebnisse noch besser aussehen, als sie tatsächlich sind, und schlechte Ergebnisse noch schlechter – die Spanne zwischen sehr wirksamen und weniger wirksamen Maßnahmen erscheint also möglicherweise größer, als sie tatsächlich ist.

Es gibt aber auch Gründe, die dafür sprechen, dass solche Studien den Unterschied zwischen sehr guten und durchschnittlichen Interventionen sogar unterschätzen. So umfassen die Datensätze vor allem gut messbare Maßnahmen – herausragend wirksame Interventionen (z.B. im Advocacy-Bereich), die schwieriger zu messen sind, werden so z.B. oft gar nicht erfasst.

Zudem konzentrieren sich Studien oft nur auf die direkten Wirkungen von Maßnahmen. Weitere Wirkungen, sogenannte Co-Benefits, werden häufig nicht berücksichtigt. Unsere Top-Empfehlung GiveDirectly trägt zum Beispiel mit vielen wissenschaftlichen Studien dazu bei, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt stärker mit dem Thema Wirksamkeit auseinandersetzt. In den Kosten-Wirksamkeits-Analysen von GiveWell wird dieser Effekt aber beispielsweise nicht berücksichtigt. 

Bei Effektiv Spenden gehen wir überschlägig davon aus, dass die besten aller Maßnahmen innerhalb eines Themenfeldes etwa 10 Mal wirksamer sind als der Durchschnitt, in Einzelfällen sogar bis zu 100 Mal.

Welche Rolle spielt die Auswahl des Themenfeldes?

Die oben genannten Unterschiede beziehen sich nur auf Maßnahmen innerhalb eines Themenbereichs, also zum Beispiel Interventionen im Bereich der globalen Gesundheit. Die Auswahl des Themenfeldes an sich macht aber einen ähnlich großen – oder sogar größeren Unterschied – in der erzielten Wirkung aus. 

Die aus unserer Sicht relevantesten Themenfelder eint eine Reihe gemeinsamer Merkmale. Sie sind :

  • groß – sie betreffen besonders viele Menschen oder andere Lebewesen in erheblichem Umfang;
  • vernachlässigt – sie erhalten vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit oder Ressourcen;
  • lösbar – zusätzliche (Spenden-)Mittel können die Situation nachweislich verbessern.

Die Unterschiede werden an zwei einfachen Beispielen greifbar. In der EU erkranken jährlich etwa 2,7 Millionen Menschen an Krebs, bei 1,3 Millionen Menschen führt die Erkrankung zum Tod. Die Kosten für Krebsbehandlungen in Europa belaufen sich auf etwa 103 Milliarden € pro Jahr. Im Vergleich dazu sterben jährlich weltweit immer noch rund 600.000 Menschen an Malaria, die weltweiten Ausgaben beliefen sich jährlich aber nur auf rund $4,3 Milliarden . Die Malariabekämpfung erhält also im Verhältnis zu den jährlichen Todesfällen deutlich weniger Ressourcen als Krebs. Entsprechend kann eine zusätzliche Spende dort höchstwahrscheinlich viel mehr bewirken. 

Dazu kommt, dass Malaria vor allem im Globalen Süden auftritt. Die Kaufkraft ist dort aber viel niedriger als bei uns – mit demselben Betrag kann man dort also „automatisch“ deutlich mehr erreichen. 

Entsprechend führt auch die Wahl des Themenfeldes dazu, dass sich die Wirkung schnell um das 10-fache oder mehr erhöhen kann. Und die Effekte multiplizieren sich – eine Spende an eine hochwirksame Organisation in einem relevanten Themenfeld erreicht also leicht 100 Mal mehr Gutes als eine durchschnittliche Spende – eine großartige Nachricht für Spender, die mit ihrem Geld möglichst viel erreichen möchten. 

Über den Autoren

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Gründer & Leitung Research

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