

GiveDirectly


GiveDirectly
Direkte Geldtransfers für extrem arme Menschen
GiveDirectly überweist Menschen, die in extremer Armut leben, Geld per Handy. Diese Geldtransfers sind an keinerlei Bedingungen geknüpft und die Empfänger müssen das Geld nicht zurückzahlen.
Familien können damit dringend benötigte Nahrungsmittel und Medikamente kaufen, Schulgebühren zahlen oder kleine Unternehmen gründen. Eine Fülle wissenschaftlicher Studien zeigt, dass bedingungslose Geldtransfers zuverlässig und nachhaltig Menschen helfen, extreme Armut zu überwinden – im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Hilfsmaßnahmen.
Das Problem
COVID-19 hat das Ende einer Phase des weltweiten Fortschritts bei der Armutsbekämpfung markiert. In den drei Jahrzehnten davor konnten mehr als 1 Milliarde Menschen der extremen Armut entkommen. Stattdessen kehrte sich die Entwicklung sogar um. Laut der Weltbank ist die Zahl der Menschen, die unterhalb der extremen Armutsgrenze leben, allein im Jahr 2020 um über 70 Millionen auf mehr als 700 Millionen Menschen gestiegen.[1] Damit lebte in 2020 weltweit fast jeder zehnte Mensch in extremer Armut, also von weniger als 2,15 Dollar am Tag.[2]
Viele herkömmliche Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) orientieren sich aber zu wenig an den tatsächlichen Bedürfnissen dieser Menschen. So werden EZ-Programme häufig stärker von politischen Erwägungen (im Geber- wie Empfängerland) geprägt als von der Frage, wie man Menschen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln am wirksamsten helfen kann. Häufig verursacht klassische EZ auch hohe Kosten, da viele Mitarbeiter aus Geberländern beschäftigt werden, die vergleichsweise hohe Gehälter beanspruchen.
Die Lösung
Warum also nicht einfach auf den großen Hilfsapparat verzichten und stattdessen Menschen in extremer Armut direkt das Geld geben? Niemand kennt die Bedürfnisse armer Menschen besser als sie selbst.
Dank bedingungsloser Geldtransfers können Menschen selbstbestimmt entscheiden, was für ihr Leben am besten ist. GiveDirectly überweist Menschen, die in extremer Armut leben, das Äquivalent eines Jahreseinkommens. In Kenia entspricht das etwa 1.000 US-Dollar für einen Fünfpersonenhaushalt.
Diese Geldtransfers sind äußerst effizient: Von den Spenden, die an GiveDirectly fließen, verwendet die Organisation nur 15 % für sämtliche administrative Zwecke, inklusive der Gehälter aller Mitarbeiter – ein außergewöhnlich niedriger Wert. 85% einer Spende gehen damit direkt an Menschen in Armut.[3] Weil das Geld über mobiles Banking auf die Handys der Menschen transferiert wird, ist es nahezu sicher vor Korruption. Außerdem ist dieser Ansatz stark skalierbar und kann theoretisch ohne großen Aufwand in viele andere Länder übertragen werden.


Die Wirkung
Geldtransfers sind in vielen Ländern seit rund zwei Jahrzehnten im Einsatz und gelten mittlerweile als eine der am besten evaluierten Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit. Ein Auswertung von 165 Studien zeigt, dass Geldtransfers erstaunlich zuverlässig sind und zu nachhaltigen Verbesserungen in einer Vielzahl von Bereichen führen (u. a. Bildung, Gesundheit, Sparquote).[4] In der humanitären Hilfe können Geldtransfers die Ernährungssicherheit erhöhen und sind kostengünstiger als Sachleistungen.[5]
Häufig wurde dennoch befürchtet, dass die Empfänger das Geld für Alkohol, Drogen und Ähnliches ausgeben würden. Studien zeigen jedoch immer wieder, dass dies nicht der Fall ist.[6] Auch die Weltbank sieht gezielte Geldtransfers als wirksames Mittel im Kampf gegen Armut und Ungleichheit.[1]
Die positiven Ergebnisse zeigen sich auch in der Evaluierung von GiveDirectlys Arbeit. Der Goldstandard wissenschaftlicher Untersuchungen, eine randomisierte kontrollierte Studie, wies nach, dass sich GiveDirectlys Programm in Kenia positiv auf das körperliche und psychologische Wohlbefinden der Zahlungsempfänger auswirkt.[7]
Die Organisation
Auf der Suche nach dem effektivsten Weg Armut zu bekämpfen gründeten Studenten der Universitäten Harvard und Massachusetts Institute of Technology im Jahre 2009 GiveDirectly. Von Beginn an wurde großer Wert darauf gelegt, dass die Projekte wissenschaftlich begleitet und sorgfältig evaluiert werden. Die Organisation zeichnet sich durch hohe Kosteneffektivität und herausragende Transparenz aus: Im GDLive Newsfeed berichten Empfänger freiwillig und ungefiltert von ihren Erfahrungen.
Seit Gründung ist die Organisation stark gewachsen. In den vergangenen 12 Monaten hat GiveDirectly rund 160 Millionen Dollar direkt an extrem arme Menschen ausgezahlt. (Stand Dezember 2022) Das Wachstumspotenzial bleibt dennoch enorm. Theoretisch könnte GiveDirectly in den kommenden Jahren mehrere hundert Millionen Dollar dafür einsetzen Menschen aus der extremen Armut zu befreien.
Über diesen direkten Beitrag zur Armutsbekämpfung hinaus versucht GiveDirectly, auch strukturellen Einfluss auf die „Hilfsindustrie“ zu nehmen und damit die Wirksamkeit und Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit insgesamt zu erhöhen. So sprach sich GiveDirectly Mitgründer Jeremy Shapiro in einem Gastbeitrag für die Weltbank dafür aus, sie als Maßstab für andere Projekte der Armutsbekämpfung einzusetzen.[8]
Von 2012 bis 2022 wurde GiveDirectly von GiveWell als „Top-Hilfsorganisation“ empfohlen. Aufgrund einer Anpassung der Bewertungskriterien empfiehlt GiveWell GiveDirectly inzwischen nicht mehr, die Einschätzung als herausragend gute Hilfsorganisation gilt aber unvermindert weiter.[9] Außerdem dienen die Geldtransfers von GiveDirectly weiterhin als Benchmark für die Berechnung der Kosteneffizienz von Programmen, die GiveWell evaluiert.[10]
Auch aufgrund seiner indirekten Wirkung auf die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt halten wir GiveDirectly nach wie vor für eine herausragend gute Hilfsorganisation und empfehlen weiterhin Spenden an die Organisation. Die über uns an GiveDirectly weitergeleiteten Spenden kommen dabei ausschließlich Programmen in Entwicklungsländern zugute. Dennoch möchten wir auch darauf hinweisen, dass GiveWell seine vier „Top-Hilfsorganisationen“ als 8-10 mal wirksamer als die Geldtransfers von GiveDirectly erachtet.[11]
Fragen und Antworten
Wie entscheidet GiveDirectly, wer Geld erhält?
Das Ziel von GiveDirectly ist es die Ärmsten der Armen zu erreichen. Dafür werden zuerst besonders arme Regionen anhand offizieller Daten identifiziert. Dann stellen Mitarbeiter vor Ort den Gemeinden die Organisation sowie deren Ansatz vor. Im Anschluss werden einzelne Haushalte besucht um Details zu erklären, die Identitäten der Personen zu überprüfen und möglichem Betrug entgegenzuwirken. In der Regel endet der Prozess dann damit, dass alle Menschen die in der Region leben Geld von GiveDirectly erhalten.
Wie genau funktioniert der Geldtransfer?
GiveDirectly nutzt elektronische Zahlungsdienstleister für die Überweisungen: In Kenia ist dies M-Pesa, der mobile Geldtransferdienst des größten kenianischen Mobilfunkbetreibers. In Uganda kommt das Mobile Money System des dort führenden Telekommunikationsunternehmen des Landes zum Einsatz. Lokale GiveDirectly Mitarbeiter helfen den Menschen im Programm, sich bei ihrem Zahlungsdienstleister zu registrieren. Anschließend sendet GiveDirectly das Geld an das mobile Konto des Empfängers. Der Empfänger erhält eine SMS, sobald der Betrag eingegangen ist. Der Empfänger kann dann sein „mobiles Geld“ bei Tauschstellen gegen Bargeld eintauschen. Tauschstellen sind häufig lokale Händler und Kioske, können aber auch Tankstellen, Supermärkte, Internet-Cafés oder Banken sein.
Erhalten die Empfänger den Betrag als einmalige Summe oder aufgeteilt in kleineren Beträgen?
Der Betrag wird in mehreren Raten ausgezahlt. Dies ist der Ansatz, den die Mehrheit der Empfänger befürwortet. Während des Registrierungsprozesses werden die Empfänger genau darüber informiert, wieviel Geld sie wann erhalten werden.
Wie setzen die Empfänger das Geld ein?
Geldtransfers erlauben es den Menschen, das Geld für die Dinge auszugeben, die sie am dringendsten benötigen. Eine Evaluierung der Arbeit von GiveDirectly aus dem Jahr 2013 zeigt, dass die Menschen mit dem Geld beispielsweise Nutztiere, Medikamente oder Schulbücher kauften, es in regendichte Dächer investierten oder für größere Investitionen ansparten.[12] Im GDLive Newsfeed lässt sich ungefiltert und in Echtzeit verfolgen, was Empfänger mit ihrem Geld vorhaben.
Wie nachhaltig wirken Geldtransfers?
Geldtransfers sind der klarste Ausdruck des Prinzips „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Einkommen von Haushalten, die für eine Studie über bedingungslose Bargeldtransfers in Mexiko untersucht wurden, stiegen um das 1,5- bis 2,6-fache des transferierten Betrags – ein deutlicher Hinweis für die langfristige Wirkung der Geldtransfers.[13] Was Menschen in extremer Armut fehlt, um der Armut zu entkommen, sind nicht spezifische Fähigkeiten, sondern Geld.
Was halten staatliche Vertreter von GiveDirectly?
Die Voraussetzung für die Arbeit von GiveDirectly ist, dass die entsprechenden staatlichen Vertreter in den Regionen (Bürgermeister, Dorfälteste, Abgeordnete etc.) das Programm von GiveDirectly befürworten. GiveDirectly arbeitet stets in enger Abstimmung mit allen relevanten staatlichen Institutionen.
Wird der Geldbetrag an Frauen oder Männer ausgezahlt?
GiveDirectly überweist das Geld sowohl an Männer wie Frauen. Eine Studie zeigte, dass es kaum einen Unterschied machte, wer das Geld erhielt; beide Geschlechter gehen verantwortungsvoll mit dem Geld um. GiveDirectly lässt die Haushalte daher selbst entscheiden, welcher Erwachsene sich für das Programm einschreibt. Bisher sind etwas mehr als die Hälfte der Empfänger Frauen.
Welchen Programmen von GiveDirectly kommen Spenden über effektiv-spenden.org zugute?
GiveDirectly führt unterschiedliche Programme durch, um Geldtransfers in verschiedenen Kontexten einzusetzen. Ziel ist immer, die Empfänger möglichst wirksam zu unterstützen und gleichzeitig die eigene Arbeit – und den Einsatz von Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit insgesamt – weiter zu verbessern. In diesem Zusammenhang hat GiveDirectly u.a. auch Programme zur Nothilfe für US-Bürger nach Katastrophen oder zur Unterstützung nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien ins Leben gerufen. Wir haben mit GiveDirectly vereinbart, dass die über Effektiv Spenden gespendeten Mittel ausschließlich Programmen in Entwicklungsländern zugute kommen.
Warum führt GiveWell GiveDirectly nicht mehr als “Top Charity”?
Im August 2022 hat GiveWell seine Kriterien für die Auswahl seiner „Top-Hilfsorganisationen“ angepasst. GiveWell hebt explizit hervor, dass der Anpassung keine geänderte Einschätzung von GiveDirectly zugrunde liegt und sie GiveDirectly weiterhin als eines der stärksten Programme einschätzen, die sie bisher evaluiert haben. ( Hier die ausführliche Begründung von GiveWell dazu.) Dennoch erachtet GiveWell die Arbeit der empfohlenen „Top-Hilfsorganisationen“ als noch wirksamer und hat auch deshalb seine Empfehlungen angepasst.
GiveDirectly hat auf diese Änderung von GiveWell mit dieser Erklärung reagiert.
GiveDirectly in den Medien
- Dr. Johannes Haushofer über Armutsforschung. WirklichGut Podcast. 2021.
- Das Tausend-Dollar-Projekt. brand eins. 2020.
- Geld zu verschenken. Spiegel Online. 2017.
- Können wir Armut nicht einfach abschaffen? Perspective Daily. 2017.
- Kenia: Grundeinkommen, bedingungslos (Video). ARTE. 2017.
- The rise and rise of GiveDirectly. Vox. August 2022.
- Is Cash Better for Poor People Than Conventional Foreign Aid? New York Times. 2018.
- Show Them the Money. Foreign Affairs. 2014.
- Pennies from heaven. The Economist. 2013.
Weitere Links
- Die Evaluierung von GiveWell
- Die Empfehlung von The Life You Can Save
- Zur Webseite von GiveDirectly: https://www.givedirectly.org
- Zum GDLive Newsfeed von Empfängern: https://live.givedirectly.org
Quellen
[1]↑ Poverty and Shared Prosperity 2022. Weltbank. http://www.worldbank.org/en/publication/poverty-and-shared-prosperity. Oktober 2022.
[2] ↑ Die Weltbank hat die globalen Armutsgrenzen im September 2022 angepasst. Die neue Grenze für extreme Armut von 2,15 US-Dollar pro Person und Tag ersetzt die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar. Weitere Informationen bietet die Weltbank in ihrem Fact Sheet: An Adjustment to Global Poverty Lines.
[3] ↑ Operating Model. GiveDirectly. https://givedirectly.org/operating-model.
[4] ↑ Francisca Bastagli et al. Cash transfers: what does the evidence say? A rigorous review of impacts and the role of design and implementation features. Overseas Development Institute. https://www.odi.org/publications/10505-cash-transfers-what-does-evidence-say-rigorous-review-impacts-and-role-design-and-implementation. Juli 2016.
[5] ↑ Shannon Doocy and Hannah Tappis. Cash-based approaches in humanitarian emergencies: a systematic review. Campbell Systematic Review. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.4073/csr.2017.17. Dezember 2017
[6] ↑ David Evans und Anna Popova. Cash Transfers and Temptation Goods. Economic Development and Cultural Change, Vol. 65, Nr. 2. https://doi.org/10.1086/689575. Januar 2017.
[7] ↑ Unconditional Cash Transfers: Investing Directly in Poor Families. Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab (J-PAL). https://www.povertyactionlab.org/scale-ups/unconditional-cash-transfers. Oktober 2018.
[8] ↑ Jeremy Shapiro. More than money: How cash transfers can transform international development. Weltbank. http://blogs.worldbank.org/developmenttalk/more-money-how-cash-transfers-can-transform-international-development. 2014.
[9] ↑ „GiveDirectly is one of the strongest programs that we’ve found in years of research and we continue to have a very high view of their work.“ GiveDirectly – November 2020 version. GiveWell. https://www.givewell.org/charities/give-directly/November-2020-version. August 2022.
[10] ↑ Why does GiveWell compare programs to cash transfers? GiveWell. https://www.givewell.org/impact-estimates#Why_does_GiveWell_compare_programs_to_cash_transfers.
[11] ↑ Derzeit sind dies die Against Malaria Foundation, Hellen Keller International, das Malaria Consortium und New Incentives.
[12] ↑ Johannes Haushofer und Jeremy Shapiro. Household Response to Income Changes: Evidence from an Unconditional Cash Transfer Program in Kenya. https://www.princeton.edu/~joha/publications/Haushofer_Shapiro_UCT_2013.pdf. 2013.
[13] ↑ Elisabeth Sadoulet, Alain de Janvry und Benjamin Davis. Cash Transfer Programs with Income Multipliers: PROCAMPO in Mexico. World Development, 29 (6): 1043-1056. 2001.