Comichafte Abbildung von einer Hand, die Münzen in einen Glasbehälter füllt.

Wie viel soll ich spenden?

Comichafte Abbildung von einer Hand, die Münzen in einen Glasbehälter füllt.

Wie viel soll ich spenden?

Natürlich lässt sich die Frage, wie viel man spenden sollte, nicht pauschal beantworten, aber das heißt nicht, dass es nicht spannend ist, darüber nachzudenken.

Als Anregung will ich von ein paar Beispielen berichten, wie sich verschiedene Menschen, Institutionen oder auch Religionen dem Thema genähert haben, und werde am Ende auch verraten, wie ich es ganz persönlich halte.

Den Auftakt soll der deutsche Staat machen, der 1972 versprochen hat, jährlich 0,7% seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe auszugeben. Dieses Versprechen wurde seitdem zwar nur ein einziges Mal eingehalten, aber warum das nicht trotzdem als Maßstab für die eigene Großzügigkeit nehmen? Auf weniger als 1% seines Einkommens zu verzichten, sollte in Deutschland den meisten Menschen relativ leicht möglich sein. Und wenn das alle machen würden, dann wäre die jährliche Spendensumme in Deutschland schon 3 mal höher, als sie es jetzt ist. Mit diesen dann ca. 24 Milliarden Euro könnte man alle Kinder auf der Welt von parasitären Würmern befreien, Malaria de facto ausrotten, und man hätte noch immer genug Geld, um fast 20 Millionen der weltweit bedürftigsten Haushalte aus der extremen Armut zu befreien.

Eine andere Herangehensweise, die die ein oder andere vermutlich schon mal gehört hat, ist es, sich an der Kirchensteuer zu orientieren. Diese entspricht, abhängig vom Bundesland, 8% – 9% der Einkommensteuerschuld und lässt sich entsprechend nicht auf eine allgemeingültige Zahl runterbrechen. Für die 30-jährige, alleinstehende und kinderlose Lehrerin in Berlin kommt man beispielsweise auf knapp 1,7% des Bruttoeinkommens (bei sehr hohen Einkommen sind es über 4%). Damit würde man noch immer deutlich unter dem klassischen Kirchenzehnt, aber deutlich über dem deutschen Durchschnitt liegen, der natürlich auch als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Selbstverständlich gibt es auch in anderen Religionen eine Tradition, Bedürftige zu unterstützen. So besagt beispielsweise eine der fünf Säulen des Islam, der Zakāt, dass die Gläubigen jährlich 2,5% des eigenen Vermögens spenden sollten.

Noch einen Schritt weiter gehen viele Anhänger des Effektiven Altruismus, die im Rahmen des sogenannten Giving Pledge öffentlich versprechen, mindestens 10% ihres Bruttoeinkommens an effektive Hilfsorganisationen zu spenden. Auf ihrer Webseite bieten sie den “HOW RICH ARE YOU?”-Rechner an. Dieser zeigt nicht nur, was konkret mit diesem Geld erreicht werden könnte, sondern auch, dass die meisten Menschen aus Industrieländern auch dann noch zu den weltweit reichsten 5% der Weltbevölkerung gehören würden, wenn sie 10% ihrer Einkünfte spenden. Einer der Vordenker des Effektiven Altruismus, William MacAskill, geht sogar noch einen Schritt weiter und hat sich wiederholt dazu bekannt, sämtliche seiner jährlichen Nettoeinkünfte, die über 25.000 Pfund hinausgehen, zu spenden. Als Professor in Oxford und erfolgreicher Buchautor dürfte so jährlich eine beachtliche Summe zusammenkommen, die deutlich über den besagten 10% liegt.

Wem auch das noch nicht genug ist, der findet in dem Aufsatz „Hunger, Wohlstand und Moral“ des australischen Philosophen Peter Singer die Kultur des Gebens wirklich konsequent zuende gedacht. Er schreibt: „Wenn es in unserer Macht steht, etwas sehr Schlechtes zu verhindern, ohne dabei etwas von vergleichbarer moralischer Bedeutung zu opfern, so sollten wir dies, moralisch gesehen, tun.” Was er damit meint, ist, dass man so lange geben sollte, bis man sich mit einer weiteren Spende selber mehr zumuten würde, als man beispielsweise einem hungernden Menschen in Bangladesch helfen könnte.

Das würde für die Spenderin dann zwangsläufig ein Leben unterhalb der deutschen Armutsgrenze bedeuten. Dazu ist dann auch Singer nicht bereit und spendet selber „nur” ein Drittel seines Einkommens.

Was mich persönlich angeht, so haben meine Frau und ich uns entschieden 10% unseres Einkommens zu spenden. Das fühlt sich für uns persönlich nach einem guten Kompromiss an. Einerseits stellt es einen signifikanten Teil unserer Einkünfte dar und gibt uns so das Gefühl, dass wir es wirklich ernst damit meinen, die Probleme dieser Welt anzugehen. Andererseits ermöglicht es uns nach wie vor, uns auch an den scheinbar profanen Dingen des Lebens zu erfreuen. Folgendes Gedankenspiel hat mir dabei geholfen, dieses gefühlt erstmal große Opfer zu relativieren:

Wann musste die Durchschnittsdeutsche denn das letzte mal mit 10% weniger als heutzutage auskommen? Im Schnitt vor 6 Jahren, denn seitdem ist die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf um etwa 10% gestiegen. Ich will nicht behaupten, dass es seit 2013 keinen echten Fortschritt gegeben hätte, aber wie belastend war es wirklich, sein Handy umständlich mit dem eigenen Fingerabdruck statt durch Gesichtserkennung entsperren zu müssen (Face ID kam erst 2017) oder auf Netflix in 4K-Auflösung zu verzichten (wurde erst 2014 eingeführt)?

Auf der anderen Seite klingt es fast unwirklich, wenn man sich vorstellt, wie die Welt aussehen würde, wenn noch viel mehr Menschen dem Beispiel der Effektiven Altruisten folgen würden. Zu Beginn dieses Textes habe ich schon aufgezeigt, was bereits dann möglich wäre, wenn lediglich alle Menschen aus Deutschland im Schnitt nur 0,7% ihrer Einkünfte spendeten.Wenn man sich vorstellt, was wäre, wenn sämtliche Einwohnerinnen wohlhabender Länder ihren Spendenbeitrag auf jährlich 10% erhöhen würden, muss man schnell zu Superlativen greifen.

Kein Mensch müsste mehr Hunger leiden, kein Kind an längst heilbaren Krankheiten sterben, Massentierhaltung würde der Vergangenheit angehören, der Klimawandel könnte gestoppt werden und es wäre noch immer mehr als genug Geld da, um eine zweite Renaissance in Kunst und Kultur zu finanzieren.

Ich verstehe aber auch, dass es keine einfache Entscheidung ist, sich auf ein solches Engagement einzulassen. Auch bei uns war das ein mehrjähriger Prozess. Daher will ich mit einer Anregung enden, die zumindest meiner Frau und mir geholfen hat, zu großzügigeren Menschen zu werden. Statt direkt 10% oder mehr des eigenen Einkommens zu spenden, kann man auch erstmal mit einer kleineren Summe anfangen, sich aber gleichzeitig vornehmen, einen nennenswerten Teil seiner künftigen Gehaltssteigerungen, Bonuszahlungen oder auch eines möglichen Erbes zu spenden. Hier sind sich Wissenschaft und Intuition einig: Es ist leichter auf künftiges Geld zu verzichten als auf das, welches sich bereits auf dem eigenen Konto befindet. Dennoch wäre ja trotz großzügiger Spende jede Einkommenssteigerung nach wie vor mit einem Anstieg der frei verfügbaren Mittel verbunden.

Unabhängig davon, wie viel man bereit zu geben ist, macht es natürlich immer Sinn die weltweit effektivsten Hilfsorganisationen in den Bereichen EntwicklungszusammenarbeitTierschutz und Klimaschutz zu unterstützen. So kann man sicherstellen, dass man mit seiner Spende so vielen Menschen wie möglich so gut wie möglich hilft. Wer gleich loslegen will, kann hier direkt eine Dauerspende anlegen.

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