Logo von GiveWell, welches ein Schriftzug mit den Worten GiveWell ist.

Wie evaluiert GiveWell?

Logo von GiveWell, welches ein Schriftzug mit den Worten GiveWell ist.

Wie evaluiert GiveWell?

Die Spendenempfehlungen von effektiv-spenden.org beruhen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf den Erkenntnissen des Forschungsinstituts GiveWell, auf dessen Evaluierungsmethoden ich hier näher eingehen will (mehr zur Geschichte und Motivation von GiveWell findet sich hier).

Als erstes stellt sich natürlich die Frage, welche Organisationen GiveWell überhaupt in Betracht zieht. Bei weltweit mehreren Millionen gemeinnütziger Einrichtungen ist es schlicht unmöglich, alle detailliert zu prüfen. Ausgerichtet an den ursprünglichen Einschätzungen der Gründer, wo man mit seiner Spende möglichst viel erreichen kann, hat man sich anfänglich auf die Bereiche Entwicklungshilfe und Chancengleichheit in den USA konzentriert (GiveWell war damals in New York ansässig). Es hat jedoch nicht lange gedauert, bis erste Zweifel an diesem Vorgehen aufkamen. Bereits wenige Monate, nachdem GiveWell seine Arbeit aufgenommen hatte, deuteten erste Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass man für das Geld, welches notwendig ist, einem in New York lebenden Menschen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, in einem extrem armen Land in Afrika 25 Kinder vor dem Tod bewahre könnte.

Was das genaue Verhältnis betrifft, geht GiveWell heute von anderen Zahlen aus, aber die grundlegende Überzeugung, dass man für die gleiche Spende deutlich mehr Menschen in einem Entwicklungsland helfen kann als in einem Industrieland, bleibt. Aus diesem Grund hat man sich 2011 dafür entschieden, ausschließlich Hilfsorganisationen in diesem Tätigkeitsfeld zu untersuchen.

Doch auch zwischen einzelnen Maßnahmen innerhalb der Entwicklungshilfe gibt es große Unterschiede. Daher hat sich GiveWell hier weiter spezialisiert und verschiedene Schwerpunktprogramme identifiziert. Diesen sind folgende Eigenschaften gemein:

  1. Die Wirksamkeit des Ansatzes scheint durch hochqualitative wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt, wenn möglich im Rahmen von randomisierten kontrollierten Studien.
  2. Sie haben das Potential für herausragende Kosteneffektivität.

GiveWell legt hierbei großen Wert auf externe Analysen von akademischen Instituten. Diese sind besonders aussagekräftig, wenn es darum geht, ob ein Zusammenhang zwischen einem bestimmten Programm und der verbesserten Lebenssituation der Zielgruppe besteht. Der Wert von internen Evaluierungen, welche die implementierenden Organisationen selber durchführen, besteht aus Sicht von GiveWell eher darin, zu beurteilen, ob eine Maßnahme wie geplant umgesetzt wurde.

Insgesamt kommt GiveWell bei aktuell 14 der untersuchten Schwerpunktprogramme zu dem abschließenden Urteil, dass deren Wirksamkeit nachgewiesen ist und sie sich besonders kosteneffektiv umzusetzen lassen.

In einem nächsten Schritt wird dann nach einzelnen Organisationen gesucht, welche diese Programme auch umsetzen. Hierfür werden zum einen Steuerunterlagen, Datenbanken und Organisationslisten durchgegangen, zum anderen aber auf Empfehlungen reagiert. So ist es hier für jeden möglich, eine Hilfsorganisation vorzuschlagen. Diese muss keinesfalls in den USA ansässig sein. Mehrere der von GiveWell empfohlenen Organisationen haben ihren Sitz z.B. in England.

Alle Initiativen, die in die engere Auswahl gelangen, werden dann anhand der folgenden vier Kriterien bewertet:

Piktogramm, welches zwei leicht versetzte Quadrate zeigt, das vordere Quadrat deutet an, dass es transparent ist.

Transparenz

Die Hilfsorganisationen legen vorbildlich Rechenschaft ab.

Piktogramm von einem aufgeschlagenen Buch.

Wirkungsnachweis

Die Wirksamkeit wurde durch rigorose Forschung nachgewiesen.

Piktogramm von einem Balkendiagramm mit vier Balken, die nach rechts aufsteigen.

Effektiv

Die erzielte Wirkung steht in einem hervorragenden Verhältnis zu den anfallenden Kosten.

Piktogramm von einer Hand, die eine kleine Pflanze mit Erdballen hält.

Skalierbar

Die Hilfsorganisationen können zusätzliche Mittel zeitnah effektiv einsetzen.

GiveWell stellt dabei höhere Anforderungen als alle anderen uns bekannte Institutionen, die sich auf die Prüfung von gemeinnützigen Einrichtungen spezialisiert haben. Herzstück der Evaluierung ist das Kosteneffektivitätsmodell. In diesem unternimmt GiveWell den einmaligen und aus Sicht von effektiv-spenden.org erfolgreichen Versuch, die Effektivität von Hilfsorganisationen zu vergleichen, selbst wenn sie in verschiedenen Tätigkeitsfeldern aktiv sind. Beispielsweise von Helen Keller International das Kleinkinder durch Vitamin-A-Nahrungsergänzungsmittel das Leben rettet und sie vor Erblindung schützt, und von der Against Malaria Foundation, welche in Risikogebieten Familien mit Moskitonetzen versorgt. Während die eine Organisation darauf abzielt, die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen, indem sie ihnen zusätzlichen Konsum ermöglicht, geht es der anderen vorrangig darum, den vorzeitigen Tod durch Malaria zu verhindern.

Wie soll man das vergleichen? Kann man das überhaupt vergleichen? Darf man das vergleichen?

Ich denke, die Antwort auf all diese Fragen ist Ja, denn de facto machen wir das längst oder handeln zumindest so, also würden wir das tun. Die Entscheidung an eine Organisation, die sich für obdachlose Menschen einsetzt, zu spenden, ist eine Entscheidung gegen eine Spende an eine Umweltschutzorganisation. Geld, das man Brot für die Welt  zukommen lässt, kann man nicht gleichzeitig an UNICEF spenden. In der Regel wird hier zwar kein bewusster Vergleich angestellt, aber das Ergebnis ist das gleiche. 

GiveWell und auch wir von effektiv-spenden.org teilen die Einschätzung, dass das von zahlreichen Zufällen geprägte Bauchgefühl ein denkbar schlechter Kompass ist, wenn es darum geht, aufzuzeigen, wo man mit seinem Engagement möglichst vielen Menschen helfen kann. Und nur darum geht es uns. Statt intuitiv auf implizite, aber auch sich selbst gegenüber oft nicht transparent gemachte Wertvorstellungen zu vertrauen, macht es aus unserer Sicht Sinn, seine Gedanken und Annahmen zu strukturieren. Nichts anderes macht GiveWell in seinem Kosteneffektivitätsmodell:

Zum großen Teil werden hier die Ergebnisse zahlreicher Studien und Evaluierungen in Formeln gegossen, oftmals angepasst an die individuellen Umständen, in denen die untersuchte Organisation arbeitet. 

Unter dem Reiter „Moral weights and discount rate” findet man dann aber die zuvor erwähnten Wertvorstellungen die u.a. hier auch noch mal ausführlich diskutiert werden.

Weitere Faktoren, die in die Kalkulation einfließen, sind Hebelwirkung („Leverage”) und Verdrängung („Funging”). Dabei geht es darum, inwiefern die Arbeit der Hilfsorganisationen dafür sorgt, dass z.B. durch Regierungen zusätzliche Mittel in die jeweiligen Maßnahmen fließen, oder inwieweit diese das bestehende Engagement anderer Akteure verdrängt. Letzteres senkt die Kosteneffektivität, da insgesamt weniger Geld in die Schwerpunktprogramme fließt, als die Organisation in diese investiert.

Bei dem Endergebnis der Kosteneffektivitätsberechnungen von GiveWell handelt es sich um eine Mischkalkulation. Dies liegt daran, dass Hilfsorganisationen wie die Against Malaria Foundation durch ihre Arbeit einerseits Menschen direkt vor dem Tod bewahrt, andererseits aber auch denen, die an der Krankheit nicht gestorben wären, ein besseres Leben ermöglicht. Beides berücksichtigt GiveWell wenn es von den „Kosten pro Ergebnis äquivalent zu: Vermeidung des Todes eines Individuums unter 5 Jahren spricht” („Cost per outcome as good as: averting the death of an individual under 5”).

Hierbei gibt es selbst unter den von GiveWell empfohlenen Organisationen nennenswerte Unterschiede. Die aktuellen Ergebnisse schwanken zwischen 3.500 Dollar für Helen Keller International und 5.500 Dollar für die Against Malaria Foundation. In älteren Versionen des Kosteneffektivitätsmodell von GiveWell wie diesem von 2019 finden sich auch noch Schätzungen zur Kosteneffektivität von Cash-Transfer-Programmen wie dem von GiveDirectly oder entwurmungsprogrammen von Deworm the World. In jedem Fall ist es wichtig – und darauf weist GiveWell wiederholt hin –, diese Zahlen nicht als alleiniges Entscheidungskriterium zu nutzen. Zwar beruhen die Berechnungen auf jahrelanger Forschung und wurden wieder und wieder auch von externer Seite überprüft, aber trotzdem sind die Ergebnisse, nicht zuletzt aufgrund der eingeflossenen Wertvorstellungen, mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Daher beruhen weder die Spendenempfehlungen von GiveWell noch von effektiv-spenden.org ausschließlich auf diesen Berechnungen. Weitere Faktoren sind nachgewiesene Wirkung, Wachstumspotential und Transparenz. Obwohl alle von GiveWell und effektiv-spenden.org empfohlenen Organisationen auch in diesen Bereichen überzeugen, sticht GiveDirectly hier noch einmal hervor.

Insgesamt sind wir von der Arbeit von GiveWell extrem beeindruckt. Wir halten die grundlegende Herangehensweise für richtig und sind von der konkreten Umsetzung überzeugt. Durch die herausragende Transparenz der Organisation sowie aufgrund der Tatsache, dass wir ihre Arbeit schon seit 2007 verfolgen und seitdem wiederholt mit den Gründern und Mitarbeitern in Kontakt waren, glauben wir, uns eine fundierte Meinung bilden zu können. Zusätzlich haben wir mit den Vorständen verschiedener Stiftungen sowie zahlreichen weiteren Menschen im gemeinnützigen wie im privatwirtschaftlichen tätigen Bereich gesprochen, die mit GiveWell vertraut sind. Sie haben unseren Eindruck bestätigt. Aus diesem Grund bieten wir die Möglichkeit, auch aus Deutschland steuerbegünstigt an von GiveWell empfohlene Top-Organisationen zu spenden.

Über den Autor

Avatar von Sebastian Schwiecker

Geschäftsführer

Weitere Spenden-Tipps

  • Der Spendenmarkt funktioniert nicht
    Der Spendenmarkt funktioniert nicht

    Die Marktmechanismen der freien Wirtschaft greifen im Spendenmarkt nicht. Daher ist es umso wichtiger, dass Hilfsorganisationen professionell evaluiert und miteinander verglichen werden.

  • Verwaltungskosten: Ein schlechter Grund zu spenden
    Verwaltungskosten: Ein schlechter Grund zu spenden

    Es gibt keinen Produktvergleich in dem auf die Verwaltungskosten der Hersteller eingegangen wird. Warum glauben viele Menschen, dass das beim Spenden anders sein sollte?

  • Vom (Un-)Sinn der Spendensiegel
    Vom (Un-)Sinn der Spendensiegel

    Spendensiegel überprüfen nur die Einhaltung von Mindeststandards, sagen aber nichts darüber aus, wo man mit seiner Spende am meisten bewirken kann. Wir wollen das ändern.

  • Wie viel soll ich spenden?
    Wie viel soll ich spenden?

    Nichts, 1%, 4% oder 10% des eigenen Einkommens oder Vermögens? Soviel wie man Kirchensteuer zahlen würde? Was sagen die Philosophen und Religionen und wie viel spendet der Autor selber?

  • Intransparenz im gemeinnützigen Sektor
    Intransparenz im gemeinnützigen Sektor

    Der gemeinnützige Sektor in Deutschland ist extrem intransparent. Niemand weiß wie viele gemeinnützige Organisationen es überhaupt gibt geschweige denn wie viel Geld diese von wem erhalten.

  • Kinderpaten­schaften: <br /> Macht es Sinn zu spenden?
    Kinderpaten­schaften:
    Macht es Sinn zu spenden?

    Viele Hilfsorganisationen werben mit Kinderpatenschaften. Ist das seriös oder nur irreführendes Marketing? Was steckt wirklich dahinter und gibt es bessere Wege zu helfen?

  • CO2-Kompensation – Eine Kritik
    CO2-Kompensation – Eine Kritik

    CO2-Kompensation klingen gut, aber oft werden damit wenig effektive Projekte finanziert. Wir erklären, wie man mit jedem Euro 100-mal mehr CO2 vermeiden kann.

  • Katastrophenhilfe: Eine kritische Betrachtung
    Katastrophenhilfe: Eine kritische Betrachtung

    Nichts beeinflusst das Spendenverhalten mehr als medial präsente Katastrophen, aber könnte man nicht viel mehr Menschen helfen, wenn man sich medial vernachlässigten Katastrophen zuwendet.

  • Entwicklungs­hilfe bringt doch nichts…
    Entwicklungs­hilfe bringt doch nichts…

    Immer wieder liest man , dass Entwicklungshilfe nichts bringen würde oder sogar kontraproduktiv sei. Das stimmt nur bedingt. Es kommt auf die Art der Entwicklungshilfe an, das sagen auch Kritiker.

  • Machen zweckgebundene Spenden Sinn?
    Machen zweckgebundene Spenden Sinn?

    Auch bei zweckgebundene Spenden hat man selten Einfluss wohin das Geld wirklich fließt und im schlimmsten Fall zwingt man die Organisation es sinnlos auszugeben.

  • Drei Dinge,die beim Spenden wichtig sind
    Drei Dinge,die beim Spenden wichtig sind

    Die meisten Menschen treffen ihre Spendenentscheidung spontan. Man wird auf der Straße angesprochen, erfährt im Bekanntenkreis von einem Projekt oder spendet an eine große, bekannte Organisation.

  • Philanthropie- und Spendenberatungen in Deutschland
    Philanthropie- und Spendenberatungen in Deutschland

    Welche Anbieter für Spenden- und Philanthropieberatungen gibt es im deutschen Sprachraum – und was bieten sie an?