
Wie sich die Massentierhaltung auf verschiedene Nutztiere auswirkt

Wie sich die Massentierhaltung auf verschiedene Nutztiere auswirkt
Von allen vom Menschen gezüchteten Tieren macht die Zahl derer für die Fleischproduktion den größten Anteil aus. Unserer Schätzung nach übersteigt allein in den USA die Zahl der Landwirbeltiere in der Massentierhaltung die Zahl der in Tierheimen eingeschläferten Hunde und Katzen um das Tausendfache. Trotz dieses großen Unterschieds gehen die meisten Spenden an Tierschutzorganisationen in den USA an Tierheime für Haustiere. Für NGOs, die sich auf Nutztiere fokussieren, wird weniger als ein Prozent gespendet.
Im Folgenden möchte ich den Blick von Animal Charity Evaluators (ACE) auf die am häufigsten gehaltenen Tierarten, die Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Tiere, die ethischen Probleme der Massentierhaltung und die Möglichkeiten, Nutztieren zu helfen, näher beleuchten.
Was ist ein Nutztier?
Ein Nutztier ist ein Tier, das zur Erzeugung von Nahrungsmitteln oder anderen landwirtschaftlichen Produkten gezüchtet, aufgezogen und schließlich getötet wird. Zu dieser weit gefassten Kategorie von Tieren gehören Wirbeltiere wie Hühner, Fische, Kühe und Schweine sowie wirbellose Tiere wie Honigbienen, Seidenraupen, Schnecken und Garnelen.
Der Begriff „Nutztiere“ impliziert allerdings, dass diese Tiere nur zur Erzeugung von Nahrungsmitteln oder anderen tierischen Produkten existieren. Bei ACE wollen wir den individuellen Wert der Tiere anerkennen und sie nicht auf ihre Verwendung als Ware reduzieren. Es gibt keinen Beweis dafür, dass Nutztiere nicht leiden.
Warum setzen wir uns vorrangig für Nutztiere ein?
Genau wie Effektiv Spenden sehen auch wir den Einsatz für Nutztiere als einen Bereich mit hoher Priorität an. Schon aufgrund der großen Anzahl an Nutztieren ist das Ausmaß des Tierleids groß. Im Vergleich zu anderen Bereichen ist es dennoch vernachlässigt, obwohl greifbare Lösungen vorliegen. Innerhalb der Nutztiere konzentrieren wir uns v.a. auf die Fisch- und Hühnerzucht, da diese zahlenmäßig am größten und wir somit in ihrer Haltung am meisten erreichen können.


Um welche Tiere geht es?
Nachfolgend gehe ich etwas detaillierter auf einige der am häufigsten in landwirtschaftlichen Betrieben gehaltenen Tierarten ein, auf die unsere Arbeit bei ACE abzielt.
Hühner
Wie eingangs schon erwähnt, gehören Hühner zu den am häufigsten gezüchteten Tieren und werden nur von Zuchtfischen und einigen wirbellosen Tieren übertroffen. Schätzungen über die Gesamtzahl der Legehennen im Vergleich zu Masthühnern (also der Hühner, die für die Fleischproduktion gehalten werden) schwanken. Unsere Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass der Anteil der Masthühner an den geschätzten 79 Milliarden Hühnern, die jedes Jahr getötet werden, überwiegt. (Männliche Küken, die nach der Geburt getötet werden, sind in dieser Zahl nicht enthalten.)
Wenn Hühner genügend Platz haben, suchen sie nach Nahrung, bauen Nester und Schlafplätze, putzen ihr Gefieder und pflegen soziale Kontakte zu ihrer Herde. Im Gegensatz dazu verbringen viele Hühner in der Massentierhaltung ihr ganzes Leben in engen, kahlen Käfigbatterien, in denen sie wenig oder gar keinen Platz haben, um sich umzudrehen oder ihre Flügel auszubreiten. Die beste und konsequenteste langfristige Lösung für das Leid von Hühnern wäre ein Ende der Hühnerhaltung. Allerdings können auch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen helfen, das Leiden der Hühner signifikant zu verringern, z.B. durch die Abschaffung von Käfigbatterien. Initiativen wie die Open Wing Alliance, die von der Humane League, einer Top-Empfehlung von Effektiv Spenden, initiiert wurde, setzen sich genau dafür ein, indem sie Unternehmen ermutigen, sich zu käfigfreien Haltungssystemen zu verpflichten.
Kühe
Kühe sind sensible, soziale Tiere, die in der kargen, produktionsorientierten Umgebung von Fleisch- und Milchbetrieben viele ihrer natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben können. Obwohl weniger Rinder getötet werden als Fische oder Hühner, haben Rinder bzw. Rindfleisch den größten CO2– und Wasserfußabdruck aller Lebensmittel. Die kommerzielle Rindfleischproduktion hat zudem erhebliche Auswirkungen auf die Landnutzung und ist einer der Hauptgründe für die Abholzung von Wäldern und den Verlust an biologischer Vielfalt. Eine mögliche Lösung, um den Landverbrauch und die Entwaldung durch die Rinderhaltung zu reduzieren, bestünde darin, die Weidehaltung durch intensive Stallhaltung zu ersetzen – das würde aber zweifellos das Leiden der Kühe vergrößern. Eine sinnvollere Lösung, um das Leid der Kühe zu beenden, besteht z.B. darin, die Nachfrage nach Rindfleisch und Milchprodukten zu verringern, indem eine pflanzliche Ernährung gefördert und alternative Nahrungsmittel entwickelt werden.
Schweine
Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (Food and Agriculture Organization – FAO) wurden im Jahr 2016 weltweit rund 1,4 Milliarden Schweine geschlachtet. Schweine sind hochintelligente Tiere mit einer ausgeprägten emotionalen Bindungsfähigkeit. In der Massentierhaltung werden sie in karge Kastenstände gepfercht, die so klein sind, dass sie sich nicht umdrehen oder ausstrecken können. Noch schlimmer ist, dass Schweine in der Massentierhaltung keine Möglichkeit haben, soziale Bindungen einzugehen oder ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Eine Lösung zur Verbesserung des Tierwohls von Schweinen ist das Verbot von Kastenständen und Abferkelkäfigen.
Enten und Puten
Nach Angaben der FAO werden weltweit jährlich etwa drei Milliarden Enten und 6,7 Millionen Puten geschlachtet. China und die Europäische Union sind die Hauptproduzenten von Enten für Fleisch, Eier, Federn und Spezialitäten wie Stopfleber. Puten oder Truthähne hingegen werden hauptsächlich in den USA wegen ihres Fleisches gezüchtet, wo sie eng mit Feiertagstraditionen wie Thanksgiving und Weihnachten verbunden sind. Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls für Enten und Truthähne sind die Förderung von artgerechten Haltungsmethoden und alternativen Produkten wie Fleisch auf pflanzlicher Basis und künstliche Daunen.
Ziegen und Schafe
Laut FAO-Statistik wurden 2016 weltweit rund 460 Millionen Ziegen und 550 Millionen Schafe geschlachtet. Diese Tiere werden hauptsächlich wegen ihres Fleisches, ihrer Milch und ihrer Wolle gezüchtet. Die meisten Ziegen und Schafe verbringen einen Großteil ihrer Zeit in Massentierhaltungsbetrieben in engen Ställen, die sie in ihren natürlichen Verhaltensweisen behindern: Ziegen können nicht klettern, rennen, spielen oder nach Futter suchen; Schafe können nicht grasen und sich nicht mit ihrer Herde zusammenfinden. Innovationen wie tierfreie Fleisch- und Milchprodukte können dazu beitragen, die Nachfrage nach Ziegen- und Schafsmilch bzw. -fleisch zu verringern, ebenso wie textile Alternativen zu Wolle und Kaschmir.
Fische
Wie wir in unserem Bericht über das Wohlergehen von Fischen in der Fischzucht darlegen, ist die vorhandene Forschung über das Wohl von Fischen noch sehr begrenzt. Bisherige Untersuchungen konzentrieren sich eher auf die Maximierung des Nutzens für die Zuchtbetriebe als auf das Wohlergehen der Fische. Daher sind wir der Meinung, dass mehr Forschung über vielversprechende Maßnahmen und die wichtigsten Fischarten notwendig ist. Dennoch sind wir überzeugt, dass das Wohlergehen von Fischen bereits jetzt eine Priorität innerhalb einer breiteren und effektiveren Tierschutzbewegung sein sollte. Dies liegt daran, dass das Wohlergehen von Fischen derzeit vernachlässigt wird, dass die Umsetzbarkeit von Maßnahmen zur Verbesserung ihres Wohlergehens potenziell hoch ist und dass die Fischzucht einen enormen Umfang hat – Schätzungen zufolge werden jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Zuchtfische für den menschlichen Verzehr getötet.
Insekten
Die Forschung zur Empfindungsfähigkeit von Insekten und anderen wirbellosen Tieren ist nicht eindeutig. Daten über die Zahl der jährlich getöteten Insekten aus der Insektenzucht liegen ebenfalls nicht vor. Schätzungen im Bericht „The Scale of Direct Human Impact on Invertebrates“ von Abraham Rowe (2020) deuten jedoch darauf hin, dass die Anzahl viele einzelne Untergruppen von gezüchteten Insekten höher ist als die Gesamtzahl aller Zuchtwirbeltiere, wobei allein die Schätzungen für Honigbienen und Cochenille in die Billionen gehen. Angesichts der enormen Zahl gezüchteter Insekten und der Möglichkeit, dass sie empfindungsfähig sein könnten, bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Themas, sind wir der Ansicht, dass es sich lohnt, Maßnahmen zur Verbesserung ihres Wohlergehens zu ergreifen.
Garnelen
Im Gegensatz zu anderen wirbellosen Tieren ist allgemein anerkannt, dass Zehnfußkrebse (z. B. Garnelen, Krabben, Hummer) und Kopffüßer (z. B. Kraken, Tintenfische) empfindungsfähig sind. Im Jahr 2022 wurde die Empfindungsfähigkeit dieser beiden Tiergruppen sogar im britischen Recht offiziell anerkannt – eine vielversprechende Entwicklung für Organisationen, die sich für die Verbesserung des Tierschutzes in der Aquakultur einsetzen. Eine dieser Organisationen ist das Shrimp Welfare Project (ein ACE Movement Grant Preisträger), das sich für die Verbesserung der Tierschutzstandards auf Garnelenfarmen einsetzt.

Wie viele Nutztiere gibt es weltweit?
Wir schätzen, dass zu jedem Zeitpunkt etwa 40,5 Milliarden Nutztiere und 125 Milliarden Zuchtfische leben. Im Vergleich dazu gibt es nur etwa 1,45 Milliarden Hunde und Katzen und etwa 192 Millionen Versuchstiere. Das bedeutet, dass Zuchttiere mehr als 99% aller domestizierten Tiere weltweit ausmachen. (In dieser Schätzung sind wirbellose Nutztiere noch nicht berücksichtigt, deren Zahl wahrscheinlich weit in die Billionen geht.)
Welche Tiere werden am meisten gezüchtet?
Abgesehen von den wirbellosen Tieren sind Fische und Hühner die am häufigsten gezüchteten Tierarten. Sie machen etwa 180 Milliarden (ca. 94 %) der 191 Milliarden Wirbeltiere aus, die jedes Jahr gezüchtet werden. Angesichts der großen Zahl halten wir Anstrengungen zur Verbesserung des Tierschutzes bei Fischen und Hühnern für besonders vielversprechend und geben Maßnahmen Vorrang, die auf diese Gruppen abzielen.
Welche Auswirkungen hat die Massentierhaltung auf die Tiere?
Wir können die Empfindungsfähigkeit und Gefühle von Nutztieren nicht vollständig verstehen. Trotzdem können wir anhand von Indikatoren das Ausmaß ihres Leidens einschätzen. Diese zeigen beispielsweise, dass bestimmte Methoden der intensiven Tierhaltung, wie die käfigfreie Haltung von Hühnern anstelle von Käfigbatterien, den Tieren eine deutlich höhere Lebensqualität bieten, da sie ihre natürlichen Verhaltensweisen eher ausleben können. Obwohl kein Haltungssystem ideal ist, kann die Förderung artgerechter Haltungsmethoden (oder auch einer pflanzlichen Ernährung) das Tierwohl in der Intensivhaltung signifikant verbessern.
Haben Tiere überhaupt Gefühle?
Tiere zeigen viele Verhaltensweisen, die mit Gefühlen verbunden sind. Sie spielen, kuscheln, kämpfen oder verstecken sich vor vermeintlichen Bedrohungen, gehen soziale Bindungen mit Menschen oder anderen Tieren ein und lösen sogar Probleme in ihrer Umgebung (z.B. indem sie Steine oder Stöcke als Werkzeuge benutzen). Auch wenn Menschen nicht immer verstehen, wie Tiere ihre Emotionen ausdrücken, sind wir bei ACE doch der festen Überzeugung, dass wir alle Individuen, unabhängig von ihrer Art, moralisch respektieren sollten.
Was sind weitere Problem der industriellen Tierhaltung?
Bei der Massentierhaltung steht die Maximierung der landwirtschaftlichen Produktion auf Kosten des Tierschutzes, der Umweltauswirkungen, der Arbeitnehmerrechte und der Risiken für die menschliche Gesundheit im Vordergrund. Trotz einiger Versuche, diese Bedenken auszuräumen, widersetzt sich die industrielle Landwirtschaft weiterhin Maßnahmen, die die Betriebskosten erhöhen oder das Absatzpotenzial verringern könnten. Das Ergebnis ist eine nicht nachhaltige Industrie, die weit verbreitetes Tierleid, extensive Land- und Wassernutzung, unsichere Arbeitspraktiken und die Verschmutzung durch Treibhausgase und Industrieabfälle aufrechterhält.
Welche Auswirkungen hat die Massentierhaltung auf den Menschen?
Die Massentierhaltung hat weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von uns Menschen. Die Haltung einer großen Anzahl von Tieren unter beengten und oft unhygienischen Bedingungen erhöht die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von Zoonosen (z.B. Schweinegrippe, Vogelgrippe und lebensmittelbedingte Krankheiten). Der massive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung kann antibiotikaresistente Bakterien hervorbringen, die die Behandlung menschlicher Krankheiten erschweren. Die großen Mengen an tierischen Abfällen und Schadstoffen, die von Massentierhaltungsbetrieben freigesetzt werden (und von denen sich viele in einkommensschwachen Regionen befinden) können Boden, Wasser und Luft in den umliegenden Gebieten verunreinigen. Das Risiko, schädlichen Schadstoffen ausgesetzt zu sein, ist für Arbeiter in der Massentierhaltung besonders hoch. Sie sind auch anderen beruflichen Risiken ausgesetzt, wie z. B. Verletzungen durch Tiere oder landwirtschaftliche Geräte, Verletzungen durch repetitive Belastungen, und psychische Belastungen aufgrund der anstrengenden und körperlich intensiven Arbeit.
Welche Gesetze schützen Nutztiere?
Die Gesetze zum Schutz von Nutztieren sind von Land zu Land sehr unterschiedlich und werden in unterschiedlichem Maße durchgesetzt. Obwohl es aufgrund des nationalen Charakters der meisten Rechtssysteme schwierig ist, die globalen Auswirkungen von Gesetzen zum Schutz von Nutztieren zu verallgemeinern, kann die juristische Arbeit von Tierschutzgruppen zu Gesetzesänderungen und -anpassungen dazu beitragen, die Durchsetzung von Gesetzen lokal sicherzustellen und einen kulturellen Wandel in der Einstellung der Gesellschaft zum Tierschutz zu bewirken.[1]
Was kannst Du tun, um Nutztieren zu helfen?
Ein Weg, um das Leid von Nutztieren zu vermeiden, ist es, vegan zu leben – wir schätzen, dass ein Mensch etwa 105 Wirbeltiere rettet, wenn er sich nur ein Jahr lang vegan ernährt. Aber Du kannst noch viel mehr tun, um Nutztieren zu helfen: Eine Spende an den Effektiv Spenden-Fonds: Tierleid verringern oder die Top-Empfehlungen von Effektiv Spenden, die u.a. auf den Analysen von ACE basieren, ist eine großartige Möglichkeit, das Leben von Nutztieren zu verbessern. Besuche die Themenseite von Effektiv Spenden zu effektivem Tierschutz, um mehr über diese Spendenmöglichkeiten zu erfahren.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf dem Blog von ACE auf Englisch veröffentlicht und vom Effektiv Spenden-Team auf Deutsch übersetzt und leicht angepasst. Die vollständige Übersicht über die von ACE empfohlenen Tierwohl-Organisationen findest Du hier. Wenn Du die Arbeit von ACE mit einer Spende unterstützen möchtest, kannst Du das hier aus Deutschland und der Schweiz tun.
[1] ↑ Siehe dazu auch die Förderung der Animal Society durch Effektiv Spenden.
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